Liebe Rosie, Du kamst 1989 in das Westkap. Wie kam es zu der Idee, sich um Waisenkinder zu kümmern, und was waren die ersten Schritte?
Die Idee, mich um die Waisenkinder zu kümmern, kam mir in zweifacher Hinsicht: Am 06. Juni 1989, war die Eröffnung des Baphumelele „Kindergartens“, der aus der Liebe zu den Kindern geboren wurde. Meine Hütte war in der Nähe eines Müllplatzes, wo ich immer wieder die Rufe der Kinder hörte, die dort spielten oder nach Essen gesucht haben. Eines Tages beobachtete ich die Kinder aus der Nähe und stellte fest, dass sieben dieser Kinder von Kopf bis Fuß entzündete Hauterkrankungen hatten. Ich rief sie zu mir nach Hause, wo ich sie alle badete und mit Vaseline einschmierte. Man konnte ihre Freude und ihr breites Lächeln sehen, denn endlich kümmerte sich jemand um sie. Anschließend ging ich zu meinem Nachbarn, der einen Truck-Shop hatte und bat ihn um Brot und etwas zu trinken. Obwohl er selbst nicht viel hatte, gab er mir eine Menge Brot und Saft, welches die Kinder mit großer Freude aßen. Das zu sehen machte mich unendlich glücklich. Es dauerte nur wenige Minuten, und die Kinder schliefen ein, weil sie sich zum ersten Mal sicher und satt fühlten.
Am späten Nachmittag kamen dann die Eltern, um ihre Kinder von der Müllkippe abzuholen, und der Nachbar, der für das Essen gesorgt hatte, schickte sie zu mir. Alle acht Eltern waren so dankbar und erzählten mir, dass sie es sich nicht leisten konnte, die Kinder in eine Kinderkrippe zu schicken und sich nicht um sie kümmern konnten, da sie den ganzen Tag arbeiten mussten. Ich stimmte zu, mich um die Kinder zu kümmern und mit diesen 8 Kindern fing alles an. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer und immer mehr Eltern schickten mir Ihre Kinder. Glücklicherweise hatte ich Freunde in den USA, die die Miete für das Haus bezahlten. Heute ist der Kindergarten der beste und größte in Khayelitsha, der jährlich 300 Kinder aufnimmt und 35 Erzieherinnen, 4 Köchinnen, 2 Verwaltungsangestellte, 12 Hilfskräfte, 4 Sicherheitsleute sowie viele Freiwillige beschäftigt. Damit geben wir auch vielen Eltern die Möglichkeit eine Tätigkeit aufzunehmen.
Der zweite Zeitpunkt war, als ich eines Tages mit meiner Familie nach Hause kam, und wir einen kleinen Jungen vor der Haustür liegend vorfanden, der nackt und voller Wunden war. Niemand konnte mir sagen, woher er kam und so beschloss ich ihn zu baden und einzucremen. Mitten in der Nacht klopfte dann die Polizei und ich hoffte, sie nehmen mir den Jungen wieder ab und bringen ihn zu seiner Mutter. Stattdessen brachten sie mir einen weiteren verwahrlosten Jungen, um den ich mich kümmern sollte. Mein Herz raste, denn ich hatte kaum Mittel um meine eigene Familie zu ernähren und jetzt waren noch zwei weitere Kinder satt zu kriegen. Außerdem war ich mir nicht sicher, wie meine eigenen Kinder reagieren würden. Als ich die Waisenkinder am nächsten Tag zum Gericht bringen wollte, um dort die Eltern ausfindig zu machen und sie dort aussteigen sollten, hörte ich plötzlich eine sehr laute Stimme, die sagte: „Geh und kümmere dich um diese Waisenkinder“. Sofort schloss ich meine Augen, um zu beten und bat Gott, mir die Kraft und Mittel zu geben, um diesen Kindern zu helfen. Nachdem ich AMEN gesagt hatte, spürte ich, wie mich eine unglaubliche Kraft und Liebe durchdrang. Ich nahm die Kinder wieder mit nach Hause, damit sie meine Familie besser kennenlernen und auch ein Teil meiner Familie werden konnten.
Es war nicht leicht, aber noch am selben Tag erhielt ich einen Anruf vom Mowbray Entbindungskrankenhaus, das mir mitteilte, dass ich zwei Frühgeborene abholen müsse, die HIV-positiv seien. Innerhalb einer Woche hatte ich sieben weitere Neuzugänge, also innerhalb eines Monats 29, und das war die Geburtsstunde des Waisenhauses, welches wir dann immer weiter ausgebaut haben.
Baphumelele bietet eine vorübergehende Unterkunft für verwaiste, ausgesetzte, missbrauchte oder vernachlässigte Kinder, Erwachsene und junge Erwachsene mit chronischen Krankheiten/HIV und Aids. Wir bieten Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitslose, sorgen für die frühkindliche Entwicklung und stellen Informationen zur Gesundheitsfürsorge für die Gemeinde Khayelitsha und die Umgebung bereit. Außerdem lindern wir die Armut indem wir Arbeitsplätze schaffen und die Ärmsten der Armen mit einer Bäckerei und einer Suppenküche versorgen.
Die Nachhaltigkeit und Einzigartigkeit von Baphumelele als gemeindebasiertes Projekt ist durch seine tiefe Verwurzelung in der Gemeinde gewährleistet, die für die Menschen in Khayelitsha ein Leuchtfeuer der Hoffnung ist. Das Waisenhaus hat in den vergangenen 22 Jahren mehr als 5330 Kindern das Leben gerettet und beschäftigt 60 Betreuer, 4 Sozialarbeiter, 30 Hilfskräfte einschließlich Freiwilliger, 14 Platzwarte, zwei Krankenschwestern und zwei Ärzte und es kommen immer neue Mitarbeiter hinzu.
Was waren für Dich die größten Erfolge in den vergangenen Jahren?
Die größten Erfolge war die Verleihung von 10 internationalen und 13 lokalen Preisen als Anerkennung für die hervorragende Arbeit, die wir leisten. Außerdem haben wir 250 Dauerarbeitsplätze und 155 zeitlich befristeten Arbeitsplätze für benachteiligte Menschen in einem der ärmsten Townships geschaffen.
In der Zwischenzeit hat das Projekt „Baphumelele“ große Dimensionen angenommen. Was sind die nächsten Schritte, die Sie planen?
Die nächsten Schritte in Baphumelele sind die Renovierung aller Gruppenhäuser. Das umfasst den Ersatz der Dächer, die aus Asbest bestehen und die Beseitigung von Schimmel, der fast alle Häuser befallen hat. Außerdem sollen die Nebenanlagen befestigt werden, so dass die Häuser auch bei starkem Regen gut zu erreichen sind.
Auch Themba Labantu e.V. unterstützt das Projekt seit vielen Jahren. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Die Zusammenarbeit zwischen Baphumelele und Themba Labantu e.V. begann bereits im Jahr 2005, in den Anfangsjahren unserer Organisation. Die monatlichen Beiträge haben uns geholfen, das wir weiterhin die Waisenkinder retten und ernähren konnten. Darüber hinaus hat Themba Labantu e.V. auch in die meisten unserer Gebäude investiert.
Die vergangenen zwei Jahre waren eine schwierige Zeit, nicht nur für Baphumelele, sondern für alle Menschen auf der ganzen Welt. Wer hätte gedacht, dass ein Virus eine solche Verwüstung in der Welt anrichten kann, in der viele Menschen Angehörige und Arbeitsplätze verloren haben. Ich glaube nicht, dass es eine Familie gibt, die von irgendeiner Form von Schmerz und Leid verschont geblieben ist, aber Themba Labantu e.V. war in harten, schlechten und guten Zeiten immer für uns da!!! Dafür möchte Baphumelele allen Mitgliedern, Freunden und Förderern von Themba Labanbtu e.V. von ganzem Herzen danken. Mögen wir alle das Licht für die Baphumelele-Waisen leuchten lassen und Leben retten, wo immer wir sind.
Liebe Rosie, vielen Dank für Deine Antworten und den tollen Einblick in die Arbeit von „Baphumelele“.